Sonntag, 31. Mai 2015

Sankhu - wo Devi früher gewohnt hat

Für die Kids beginnt ein neuer Abschnitt, Normalität: Schuluniform anziehen und ein geregelter Stundenplan.
 Sankhu war der frühere Wohnort von Devi und Manisha
Stell dir einmal vor, es ist Sonntag, du bist etwas länger im Bett geblieben und gehst nun an die frische Luft. Sankhu liegt etwas ausserhalb der Stadt, da ist die Luft noch frisch. Du gehst zur Türe, wirfst einen Blick zurück in deine Wohnung. (Leider habe ich die Einzimmerwohnug nie gesehen, sie soll recht schön gewesen sein). Die Fotos von meinem Mami und Devi, welche ich ihr im April noch machen liess, hängen an der Wand. Auf den Fernseher bist du stolz, mit dem kleinen Lohn musstest du ihn lange ersparen. Viel hast du nicht, aber was es für ein gemütliche Zuhause brauchst, das hast du hier. Die Bücher für den Englischkurs, den ich ihr bezahlt habe, liegen auf dem Tisch, die ersten zwei Lektionen hat sie bereits besucht. Das wenige Geld und etwas Schmuck hast du gut versteckt. Du bist mit der Welt und dir zufrieden. Du drehts den Schlüssel und gehst.

Das Erdbeben ist schrecklich, die schlimmsten Gedanken gehen durch deinen Kopf, endlich bist du wieder zu Hause und triffst dies an. Da kannst du nur noch deine 19-jährige Schwester Manisha in die Arme nehmen, jemanden anderen hast du in Kathmandu nicht. Die grösste Sorge sind deine Eltern und die Geschwister, die Telefonverbindung ist zusammengebrochen, eine Kontaktaufnahme ist nicht möglich. Sie waren so verzweifelt dass sie drei Tage nichts mehr gegessen haben. Ich glaube nicht, dass wir uns das realistisch vorstellen können.

Devi steht vor den Trümmern ihre Wohnhauses. Die Strasse führte links vom Haus durch den Bogen.

Blick von rechts unte, hier war früher die Strasse.

Pisten wurden in der Zwischenzeit geschaffen, vorher war es nur ein riesiges Trümmerfeld.


Überall sind Aufräum-arbeiten im Gange, das Leben geht weiter.

Dies war die Einfahrt ins Dorf.






Als ich etwas weitergehen wollte trat blankes Entsetzen in Devis Augen, das ist viel zu gefährlich, der Schock sitzt sehr tief!
Das war einmal ein Motorrad. Wie hat es hier wohl früher ausgesehen, dass es so weit oben liegt?
Sobald ich weiss wie mein Zeitplan aussieht werde ich mit Devi ihre Eltern besuchen. Ein Tag Busfahrt und dann eine Wanderung von 12 Stunden weit hinauf in die Berge. Unterwegs habe es kaum etwas, das dürfte für mich eine Herausforderung werden. Ich finde sicher einen Sherpa welcher trägt, was wir mitbringen werden, z.B. ein Zelt. Devi wird abklären was sie dringend benötigen. Anders gesagt sind wir mindestens fünf Tage weg.

Zurück in der geschützten Welt des ROKPA Kinderhauses zeigt sich wie wertvoll Freunde sind. Das Lachen von Kalpana ist ansteckend.





Der heutige Tag ging mir tief unter die Haut. Durch Fernsehen und Zeitungen sind wir ja von den schlimmsten Katastrophen überflutet und lassen etwas Mitleid fliessen - und spenden vielleicht sogar etwas - und gehen wieder zur Tagesordnung über. Wer spricht heute in der Schweiz noch vom Erdbeben in Nepal? Wenn ich mir vorstelle was passiert wäre, wenn das Beben nicht am Mittag sondern während der Nacht erfolgt wäre, Devi und Manisha und viele Tausende andere wären nicht mehr unter uns. Zum Glück war es auch Samstag, entspricht unserem Sonntag. So waren die Kinder nicht in den vielen zusammengestürzten Schulhäusern.

Wenn man etwas so hautnah miterlebt, dann sieht es anders aus.

Wenn ich an unsere Tibeter denke, welche das Glück hatten einen Sponsor für eine Ausbildung zu finden - oder an die Kids im ROKPA-Kinderhaus, welche von Lea Wyler von der Strasse geholt wurden. Wie Anju, der Vater Alkoholiker und jähzornig, die Mutter taubstumm, das Essen aus Mülltonnen gesammelt - und heute macht sie ihren Master. Oder Hemraj, welcher die Möglichkeit prüft, dass er gleichzeitig zwei Master abschliessen kann. Diese Kinder hatten Glück und nutzen es. Devi konnte nach der Schule kein Studium machen, da die Eltern kaum genug zum Uberleben haben und sie niemand unterstützt hat. Sie musste Geld verdienen. Ich werde sie und ihre Schwester unterstützen, aber es gibt noch Tausende andere Kinder, welche für eine Unterstützung dankbar wären. (Foto April 2014)


Folgende zwei Adressen kann ich dir von Herzen empfehlen, gerne gebe ich dir auch weitere Auskunft:

Tibeter Familien Hilfe
Ich weiss nicht ob ich einmal nach Nepal gekommen wäre, wenn ich nicht über meine Patenkinder eine Beziehung gehabt hätte. Ich für mich bin froh dass meine "Kinder" schon älter sind, Tenzin Namdol und Tsering Tashi habe ich erst vor einem Jahr "übernommen". Es ist schön zu sehen welche "Rendite" die "Investition" bringt, wenn die Kinder in einigen Jahren die Ausbildung abgeschlossen haben.

ROKPA INTERNATIONAL
Oder du unterstützt das ROKPA-Kinderhaus und weisst dass du hier einen Beitrag an ein sehr wertvolles Projekt leisten kannst.
Vielleicht kommst du ja in ein paar Jahren nach Nepal und kannst dich an deiner "Rendite" erfreuen, strahlende Augen werden dich entschädigen.

Einen herzlichen Gruss aus Kathmandu, dort wo es an der Hauptstrasse normal aussieht und man erst weiter hinten auf tragische Schicksale trifft.

Aber trotzdem: Auch jetzt kann ich eine Nepalreise empfehlen, die Leute sind auf die Touristen angewiesen. Ein Nepal ohne Touristenflut ist doch auch etwas wert!

Samstag, 30. Mai 2015

Morgen beginnt an vielen Orten wieder die Schule

Gestern haben wir mehrere Musterhäuser und Notfallunterkünfte angeschaut. Sehr interessant ist dieses Haus, welches aus mit Erde gefüllten Säcken gebaut ist. Im Internet habe ich einige solche Erdbebensicheren Häuser gefunden, die sehr wohnlich sind. Die Innenwände sind noch nicht verputzt, damit der Aufbau erkenntlich ist. Solche Häuser können problemlos auch in abgelegenen Gegenden gebaut werden. Logischerweise werden noch Türen und Fenster eingebaut.

Heute morgen war ich bei meinem Patensohn Tsering Tashi zu einem Tibetischen Buttertee eingeladen. Sie haben noch eine sehr schöne Wohnung, Tsering Tashi und seine Schwester Tsewang Sangmo schlafen hier im Wohnzimmer. Noch, weil das Haus verkauft wurde und die Wohnung monatlich neu sFr. 130.- statt sFr. 60.- kosten wird. Also müssen sie ausziehen. Der Vater hatte ein kleines Hotel gemietet, dieses ist beim Erdbeben zusammengestürzt, der Besitzer wohnte darin und ist umgekommen. Auch für diese Familie ist die Zukunft ein grosses Fragezeichen. Der Vater und die Schwester sind gestern ins Heimatdorf gereist um zu sehen ob sie Angehörigen helfen können.

Zum Mittagessen war ich bei Tsomo Sonam und Tashi Lhamo eingeladen, anschliessend hat mir Tsomo Sonam ihre Schule gezeigt. Morgen beginnen viele Schulen wieder. Tashi Lhamo hat weiterhin Zwangsferien, da ihre Schule über keinen Rasen verfügt, auf dem Zelte aufgestellt werden können.

Von weitem sieht das Schulgebäude der Srongtsen Schule relativ gut aus.
Von Nahem wird aber klar, dass dieses Gebäude nur noch abgerissen und durch ein Neues ersetzt werden kann. Niemand kann die Verantwortung übernehmen, dass in diesem Gebäude 600 Kinder unterrichtet werden und es bei einem leichten Beben einstürzt.
Nachtrag: Ich habe zu schwarz gesehen, das Gebäude wird repariert, das wird aber etwa fünf Monate dauern. Ein grosses Glück!


Morgen beginnt auch in der Srongtsen Schule wieder die Normalität, Tsomo Sonam freut sich dass die lange Wartezeit endlich vorbei ist und auch für die Kinder wird es eine Wohltat sein wieder eine Beschäftigung zu haben, das erste Erdbeben liegt doch über einen Monat zurück.

Platz für 600 Schüler der Klassen 1 bis 10

Tsomo Sonam in einem "Klassenzimmer"


Auch die Kleinen versuchen optimistisch in die ungewisse Zukunft zu schauen.






















Probesitzen für morgen

Die Strasse vor dem Haus von Tsomo Sonam ist immer noch im Bau, neue Röhren werden verlegt. Sobald der Monsunregen kommt wird die Strasse wieder kaum mehr passierbar sein.



Falls morgen das gewünschte Material eintrifft kann ich mich wieder dem Shelter-Projekt widmen, aber zum Mittagessen bin ich auf jeden Fall bei Tsering Tashi eingeladen.

Donnerstag, 28. Mai 2015

Für manche kehrt der Alltag ein

Die Kinder des ROKPA-Kinderhauses dürfen zurück ins Haus, wobei alle im Speiseraum im Erdgeschoss schlafen. Bei einem allfälligen Erdbeben wären sie so schnell aus dem Haus. Aber zuerst wird noch das Geschirr abgewaschen.


 Zelte zusammenpacken, in der Hoffnung dass sie hier nie mehr gebraucht werden.


Mein Patenkind Tenzin Namdol hat mich gestern mit ihrer Mutter besucht, zusamen sind wir zu ihrem Haus spaziert, sie wohnen auch in Bouda.

Ihre Zweizimmer-Wohnung hat nur wenige Schäden, die beiden darüberliegenden Stockwerke sind aber stark verwüstet. Sie wissen nicht wie lange es geht bis abgeklärt ist, wie das Haus wiedergestellt wird und es so sicher ist, dass sie zurück in die Wohnung können. Die 72-jährige Grossmutter wohnt bei der Familie, der jüngere Sohn ist behindert. Die Teppichfabrik, Arbeitgeber des Vaters, hat die Arbeit wieder aufgenommen, so erhält er wenigstens etwas Lohn. 



Die Mutter kocht hier mit einer Nachbarin und der Grossmutter für 30 Personen.


Da ihre Häuser noch stehen konnten sie das Notwendige holen und sich besser einrichten.
Mein ehemaliger Patensohn Zamlig Wangdu wohnte im Haus daneben. Von Weitem sieht es gut aus. Aus der Nähe betrachtet kann ich nicht feststellen ob nur die Wände gebrochen, die Träger aber hoffentlich unversehrt sind - oder ob es ein Totalschaden ist. Die Statiker haben viel zu tun, viele Häuser dürften in diesem Zusatnd sein.


 Die Bewohner haben sich gut eingerichtet, so kann ihnen der Monsunregen nichts anhaben.
Ich konnte Devi ein Zelt von ROKPA bringen. Vielen Dank! Die Frauen können nun miteinander ein Zelt teilen, das zudem sturm- und regensicherer ist als die Zeltplanen, welche erbettelt wurden. Wohin sie gehen, wenn hier angesät wird, das wissen sie wie Tausende andere noch nicht. Für diese, welche alles verloren haben, auch die Arbeitsstelle, wird die Zukunft sehr schwer werden.

Devi als Zeltbauerin




Noch niemand, den ich kenne, hat von einer Institution oder vom Staat bisher etwas erhalten. Ausgenommen sind natürlich die Unterstützten des ROKPA-Projektes. Hier im Guesthouse hat es Ärzteteams aus Australien und USA, welche länger hier bleiben werden. Es wird viel gemacht, in der Hoffnung, dass es mehr als ein Tropfen auf einen heissen Stein ist.

Wir arbeiten weiter an unserem Shelter-Projekt und hoffen die ersten in den nächsten Tagen ausliefern zu können. Geplant sind 50 Stk.

Montag, 25. Mai 2015

Kathmandu hat zwei Seiten

Im Flugzeug von Doha waren wir genau zwei Westler, der Australier Tristan und ich. Er kümmert sich um den Aufbau von Spitälern. Der A330 ist etwa zu einem Drittel mit Nepali und Tibetern besetzt.

Tal holt mich ab, es ist Nacht und alles sieht normal aus, etwas weniger Verkehr als früher.

Am nächsten Morgen spaziere ich vor 7 h zum Stupa, es hat einige Leute, aber nur Einheimische. Auf den ersten Blick sieht der Stupa unversehrt aus, dann erkenne ich die Schäden am Turm. Der Turm einer kleinen Stupa fehlt ganz. Auch an den Häusern sind kaum Schäden feststellbar. Die Gegend um Bouda wurde zum Glück relativ verschont.


Auch bei der Fahrt in die Stadt entlang der Ringroad sieht man wenig beschädigte Häuser, in der Presse wurden nur die schlimmsten Bilder gezeigt. Was auffällt sind überall Zeltlager. Auch zerstörte Mauern sieht man öfters. Wenn man die Hauptstrasse verlässt findet man Strassen, an denen ganze Häuserzeilen eingestürzt sind, es wurde aber überall aufgeräumt, so dass die Strassen passierbar sind.




Um 7 h wird die Strasse zum Affentempel, nach Swayambhu, gesperrt, so fahren wir am Morgen früh mit den Motorrädern dorthin. Vor zwei Jahren habe ich diese besichtigt, traurig was hier alles zerstört wurde.
Nur die Affen sind unbeeindruckt.







Das Leben geht weiter -für manche mit wenig Veränderungen, für andere der blanke Horror. Die fehlenden Touristen sind für viele Leute eine Katastrophe, es gibt kaum Arbeit, wo doch der Tourismus die Haupteinnahmequelle ist.
Die Leute lassen aber nicht den Kopf hängen und versuchen das Beste aus der Situation zu machen, wie Tashi Delek und Tsomo Sonam.

Unsere vielen tibetischen Freunde haben nach meinem heutigem Wissensstand die beiden Erdbeben relativ unversehrt überstanden. Bei Zamling Wangdu ist noch nicht klar, ob das vor zwei Jahren erstellte Haus gerettet werden kann.

Wer von uns würde in der Situation von Devi noch ein Lachen aufsetzen?

Devi nimmt mich mit zu sich ins "neue Zuhause". Mit ihrer 19-jährigen Schwester Manisha verliessen sie am morgen die Einzimmerwohnung, jetzt weiss sie nicht mehr, wo das Haus stand, es ist keine Strasse mehr erkennbar.


Sie haben ein Zimmer, resp. ein Loch gefunden, es hat eine abschliessbare Türe und sie können darin kochen. Das Nachbarzimmer ist niPersonen in einem "Zelt", resp. unter Planen. Am Tag sitzen sie unter einem Baum. Was sollen sie machen? Sie haben von keiner Organisation oder vom Staat etwas erhalten, dank meiner sofortigen Überweisung per Western Union konnten sie Esswaren und Kleider kaufen und den Eltern Geld bringen. Die Arbeitsstelle von Devi gibt es nicht mehr, nächste Woche beginnt voraussichtlich die Schule wieder, aber wie viele Schulen sind zerstört? Ob Manisha mit der zwölften Klasse beginnen kann?

Das Haus der Eltern ist unbewohnbar, der Bruder hat beim Erdbeben das Bein gebrochen. Vor ein paar Tagen wurde er stundenlang ur nächsten Strasse getragen. Das Land der Eltern ist zerstört, der Monsun wird  das Seinige beitragen und die Erde ins Tal schwemmen. Wohin sollen die Eltern?

Die wirkliche Katastrophe kommt erst wenn der Monsun einsetzt, viele Hänge werden abrutschen, Dörfer mitreissen oder die Wege dorthin unpassierbar machen. von Kindern welche ihr Haus verloren habenmachen. Was passiert mit diesem Hundertausenden von Leuten?

Einige Bilder des Zeltlagers

 Mütter kochen
 Kids bei der Küchenarbeit

 Schulstunde und Beschäftigung
 Die Kleineren im Lesezimmer des Restautants vor dem Fernsehen
Ich schlafe im Gästehaus, dieses erscheint sicher zu sein.

ROKPA hat entschieden dass das jetzige Zeltlager durch Notunterkünfte ersetzt wird, in diesem Projekt werde ich mich die nächste Zeit beschäftigen. Die 50 Kinder, Betreuer, teilweise Eltern von Kindern welche ihr Haus verloren haben, etc, schlafen im Zeltlager. Wir hoffen dass sie bald zurück ins Haus können, aber weitere grosse Erdbeben sind nicht ausgeschlossen. Der heutige Sturm hat alles unter Wasser gesetzt.

Die Rohre für die Shelter (Notunterkünfte) werden heute geliefert.
Du möchstet etwas spenden? In älteren Blogs findest du entsprechende Angaben, oder sende mir einfach ein Mail.